Kriegsfreiwilliger Fritz Kauerauf in der Grebbelinie

Wir brachten in der Maiausgabe die Darstellung der Kämpfe um die Grebbelinie in Holland. Der folgende Bericht gibt einen Überblick über die Gesamtsituation mit Originalfotos, die eine gute Übersicht gewahrten über den Verlauf der Stellungen dieses festungsähnlichen Werkes, dessen Erstürmung sowohl bei den Holländern als auch bei uns erhebliche Verluste forderte. Die Verteidigung hatten holländische Kolonialsoldaten, die sehr tapfer waren und über ein gut ausgebautes Stellungssystem verfügten. Dem SS Regiment 4 ("Der Führer"), dem X. Armeekorps unterstellt, glückte der Einbruch. Der Angriff des Regimentes wurde in Richtung Utrecht fortgesetzt. Der Oberbefehlshaber der holländischen Wehrmacht hat unter dem Eindruck der schweren Erd- und Luftangriffe für die in der Festung Holland eingeschlossenen Truppen am 15.5.40 die sofortige Niederlegung der Waffen angeordnet - so heißt es im Korpsbefehl. Ausgenommen blieben von der Waffenstreckung lediglich die auf Zeeland und Walcheren befindlichen Streitkräfte, da in diesem Raum in erster Linie französische und englische Truppen eingeschlossen waren.

Kempin hatte richtig taktiert: Die Holländer waren so überrascht über unseren plötzlichen Sturmlauf, daß sie aus ihren Bunkern herauskamen und sich ergaben. Die Waffen wurden auf einen Haufen geworfen, und mit dem Daumen zeigten wir ihnen den Weg nach rückwärts in die Gefangenschaft. Es gab ein Bild davon, das mir 1943 bei einem Bombenangriff auf Berlin verlorenging. Es zeigte Hanne Kempin und einige ranke schlanke Männer von uns ganz locker mit dem Gewehr in der Hand und tarnjackenbekleidet, dem schnell an allen Fronten bekanntgewordenen außeren Bild der Waffen SS, und viele stämmige Holländer beim deprimierenden Gang in unser Hinterland. Für sie war der Krieg zunächst einmal zu Ende; man konnte es ihnen ansehen. Wir aber waren in der zweiten Linie, die wir zwar noch nicht ganz hatten, aber unsere Stellungen konnten wir gegen Abend gut für die Nacht sichern. Das gab eine Verschnaufpause. Wir labten uns aus guter Büchsenverpflegung der Holländer und krochen nachts unter die wunderbaren flauschig dicken Wolldecken, die wir in jeder Menge in den Erdbunkern vorfanden. Auch hatte jetzt fast jeder sein eigenes seidenes Halstuch statt der durchgeschwitzten preußischen Halsbinde. Irgendwo hinter einem Bunker machte der Kompanietrupp mit einem erbeuteten Grammophon Musik, eine Erinnerung, die wir mit dem damaligen Kompanietruppmelder Sepp Kupfer teilen. Entspannender kameradschaftlicher Zusammenhalt!

12. Mai 1940: Sicherung. 13.30 Uhr Angriff.16.00/17.30 Uhr im feindlichen 21cm-Artillerie-Feuer. Abends: Durchbruch am Grebbeberg. Übernachtung in einer Scheune. Aus unserer Sicherungsstellung in der 2. Linie der holländischen Grebbestellung traten wir nachmittags zum weiteren Angriff an. Aber die Geschichte klappte nicht so recht; es verlief sich irgendwie.

Gegen 16.00 Uhr, als ich mich gerade in einem Bunker des Kompanietrupps befand, wo man Funkverbindungen hatte, und alles unter Decknamen lief - unsere Kompanie hieß "Arbeitgeber", begann ein Feuerzauber, wie wir ihn bis dahin nicht erlebt hatten. Ich kam nicht mehr dazu, mir die interessanten Karten mit den eingezeichneten Bunkern und Stellungen der Holländer anzusehen, als es schwere Granateinschläge in jeder Menge hagelte. Nicht nur Scharfschützen aus Obstbäumen behinderten uns jetzt, sondern auch ein Trommelfeuer ungeahnten Aufmaßes der gegnerischen schweren Artillerie. Jeder suchte Deckung, und wir sprangen einzeln aus diesem mörderischen Einschlagsbereich heraus. Dabei landete ich einmal beim Heranzischen eines schweren Koffers - wie wir diese Granaten nannten - mit meinem ganzen Klumpatsch, Fliegerdreibein, Ersatzlauf fürs Maschinengewehr, Munitionskasten und meinem eigenen Gewehr mitten in einer Gracht, wie die kleinen Kanäle zwischen den Wiesen hießen. Völlig naß stapfte ich ans Ufer, und gottseidank war jetzt auch der Feuerschlag zu Ende.

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Feldbefestigungen im Grebbe-Vorfeld nach dem Sturm. Beiderseits nicht unerhebliche Verluste. » meer
An der Straße von Wageningen nach Utrecht in Richtung Grebbeberg stand Kempin und gebot uns, rechts neben der Straße in den Bunkerstellungen der ersten Linie zu sammeln. Mir erschien in diesem Moment alles recht kritisch, konnte jedoch erkennen, daß Kempin den vorkommenden Regimentskommandeur, Standartenführer Keppler, über die Lage unterrichtete und keinerlei Nervosität wegen des gehabten Artillerieschlages zu erkennen war. Die Kompanie fand sich schnell wieder zusammen, und obwohl immer noch vereinzeltes Gewehrfeuer durch die Obstgarten ging, und man immer wieder die dann nicht mehr zischenden, sondern sausenden Abpraller an den Bäumen wahrnahm, gab es bei Eintritt der Dunkelheit hinter einem schützenden Bunker wieder einmal einen Halbkreis der Kompanie beim Chef. Statt einer gewaltigen Rüge, die wir erwarteten, beruhigte er die Kompanie ganz sachlich, indem er uns erklärte, daß der Artilleriefeuerschlag das letzte Aufbäumen des Holländers darstellte, daß unser III. Bataillon dabei sei, den Grebbeberg hinter der gesprengten aber wieder gangbar gemachten Brücke über den davor befindlichen Kanal zu nehmen, und daß wir noch in dieser Nacht über diese Brücke zur dritten Linie rechts neben dem Grebbeberg vorgehen würden. Die Kapitulation der Niederlande sei nur noch eine Frage kurzer Zeit. Nach diesem nun schon obligatorischen Halbkreis beim Chef kamen einige Kübel warmen Essens vor. Wir langten ordentlich zu und fragten nicht danach, aus welchem Kanister und wessen Kochgeschirr der Eintopf kam, der von Mann zu Mann durchgereicht wurde. Ich selbst war pitschnaß und konnte meine Sachen nicht trocknen, es sei denn, sie würden es in etwa durch die Körperwarme.

Bevor wir in Richtung Grebbeberg dem III. Bataillon folgten, wollten wir noch einen "vergessenen" Bunker rechts von uns hinter einer Gracht nehmen. Wie mit Karl May schlichen wir uns heran, und als wir gerade hinaufspringen wollten, gab's ein höllisches Geschrei: "Raus, raus, Hände hoch, los, los, komm schon..." usw. Wir lagen vor dem Bunker und sahen die sich als Silhouetten gegen den Nachthimmel abhebenden Kameraden der zweiten Kompanie auf dem Bunker, die uns zuvorgekommen waren. Ganz heimlich, still und leis hauten wir wieder ab. Dieses Unternehmen hatte uns die 2. Kompanie "gestohlen"! Zur Straße zurückgekehrt, marschierten wir nun zum Grebbeberg. Hinter der Brücke in einem Hohlweg waren schon viele Soldaten der 207. pommerschen Infanterie Division aufgestaut, die darauf warteten, den vollendeten Durchbruch durch die Grebbelinie zu sichern und auszuweiten. Ganz soweit war es aber noch nicht, im Feuerschein brennender Häuser gingen wir an den Heereskameraden vorbei und übernachteten rechts der Straße in einer Scheune.

13. Mai 1940: Aufrollen der 3. Linie nach rechts. 15.30 Uhr Angriff mit Unterstützung der 4. Kompanie und Stuka (!). Abends: Beim Sturm auf ein Gehöft verwundet. Schuss durch den linken Oberarm (Bruch) Nachts: Kriegslazarett Arnheim. Bei Tagesanbruch stiegen wir in die dritte Linie ein. Diese war anders als die erste und zweite Befestigung. Es handelte sich um einen zusammenhängenden Grabenbunker hinter dem Kanal und einzelne Sicherungsbunker dahinter. Außer einigen Kraftfahrern der Holländer, die Fahrerkleidung trugen, fanden wir keine Holländer mehr vor. Die Stellungen, die wir besetzten, waren schon verlassen. Trotzdem ging es sehr langsam voran, denn hinter dieser dritten Linie entstand neuer Widerstand.

Unser I. Bataillon kam nach dem Durchlaufen der 3. Linie wieder in freieres Gelände und stellte sich unter ständigem Beschuß zum weiteren Angriff bereit. Vor uns müssen noch die Artilleriestellungen der Holländer gewesen sein. Denn, als wir am Nachmittag endlich weiter wollten, kam aus der Luft Motorengeräusch. Es waren deutsche Sturzkampfflugzeuge, die beinahe ihre Bomben auf uns geworfen hatten, hatte man nicht rasch die als Fliegererkennungszeichen mitgeführten Hakenkreuzfahnen auf der Erde ausgebreitet. Wir sahen ja mit unseren bis dahin nirgends bekannten Tarnjacken und Stahlhelmüberzügen von oben nicht wie deutsche Soldaten aus! Die Stukas legten ihre gefährlichen Eier ganz dicht bei uns ab, worauf das scharfe Bunkerfeuer aufhörte, unsere Kompanie den Durchbruch schaffte, und unser I. Bataillon sich zum weiteren Angriff nach rechts entfalten konnte. Erstmalig seit dem Beginn des Einsatzes durfte ich mein Maschinengewehrzubehör, wie Dreibein, Ersatzlauf und Munitionskasten einem anderen übergeben und war nun ein freier Schütze, der nur noch sein Gewehr, den Feldspaten und eine Handgranate bei sich hatte. So fühlte ich mich bedeutend wohler. Das sollte jedoch nicht lange dauern.

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Das SS-Infanterie-Rgt. 4 "Der Führer" hat den Grebbe-Berg genommen. Überschwere MG unter Beton.
Wir gingen noch auf ein Gehöft vor. Man sah die Kompanien und Gruppen jeweils in Schützenreihe über die Wiese vorgehen. Es war wieder wie bei einer Übung. Hinlegen aller, ganz automatisch als uns Gewehrfeuer entgegenschlug. Nächsthöhere Gefechtsbereitschaft und einzelsprungweises Vorgehen nach der Entfaltung zur Schützenkette folgten. Die schweren Maschinengewehre und die Granatwerfer der 4. Kompanie deckten das Ganze. Für mich war es aber das Ende meines Einsatzes im Westfeldzug. Als ich als erster Gewehrschütze meiner Gruppe das mit der Hand über dem Kopf kreisende Zeichen für die Entwicklung zur Schützenkette weitergab erhielt ich einen Durchschuß durch den linken Oberarm, auf dessen Ellenbogen ich mich gerade stützte. Als wenn einer mit der Axt den Arm durchschlagen hatte, knickte dieser ab, und ich schrie ob der fürchterlichen Schmerzen lauthals: "Mein Arm ist ab, mein Arm ist ab!" Ein Kamerad kam sofort angekrochen und schnitt Tarnjacke und Ärmel auf, und dann sah man ein kleines blutendes Loch in dem verdrehten Arm. Als ein Sanitäter - damals noch mit weißer Armbinde mit dem roten Kreuz - kam, beruhigte mich dieser und band den Arm mit einer Schiene am Körper fest. Es ging mir wieder besser, und der Arm war noch dran. Nur bewegen konnte ich mich überhaupt nicht.

Mittlerweile waren wir allein auf weiter Flur. Gefangene unseres Angriffs kamen zurück. Einige von ihnen besorgten eine Leiter, worauf sie mich zum Hauptverbandsplatz trugen. Mein Gewehr nahm der Sanitäter, damit es beim Hauptverbandsplatz abgegeben werden konnte. Als wir zur dritten Linie zurückkamen, war diese voll besetzt mit deutschen Soldaten. Es war ein gespenstischer Anblick, denn alle hatten ihre Gasmasken angelegt. Sie sahen uns an wie Menschen von einem anderen Stern! Sicher Fehlalarm meinte mein Sanitäter, und so war es auch, denn bei unserem Hauptverbandsplatz liefen wieder alle "normal" herum, und wir hatten vorher schon unseren Regimentskommandeur bedauern wollen, weil er, als er uns begegnete, genauso wie wir, keine Gasmaske dabei hatte. Man fuhr mich noch in der Nacht ins Kriegslazarett nach Arnheim, wo man mir endlich die nassen Sachen inklusive Stiefel buchstäblich vom Körper schnitt. Tags darauf kapitulierten die Niederlande. Wie wird es wohl meinen Kameraden an den weiteren Brennpunkten des Westfeldzuges ergangen sein? Das waren immer wieder meine Gedanken wahrend der kommenden Lazarettmonate nach meinem unfreiwilligen Abschied von der ersten Kompanie des SS Regiments "Der Führer" am 13. Mai 1940.

Nachtrag: Am 31.12.1985 - nach über 45 Jahren - hat unser damaliger Kompaniechef Hans Kempin meine damaligen Ursprungsdaten mit den später gemachten Anmerkungen durchgeprüft und sagte dazu: "Bericht mit kleinen Korrekturen zurück. Einige Dinge konnten Ihnen nicht so genau bekannt sein: Ich war über Ihr Erinnerungsvermögen erstaunt. - Neusiegel ist Hauptsturmführer im Nachschub der LAH geworden. - Ich bin, unvollkommen wie immer, nur 1,975 m hoch."

Zum 11. Mai 1940: Die Bereitstellung erfolgte zunächst am Ortsrand Wageningen. Als der Tag begann, schoß sich ein Arbeitsgeschütz der holländischen Artillerie ein. Der Schuß lag etwa 150m vor dem Ort. Daraufhin ließ ich die ganze Kompanie auf die Wiese, wo eben der Einschlag erfolgt war, vorgehen und dort in Deckung gehen. Bald darauf erfolgte das Artilleriefeuer der Holländer auf unseren (vorherigen) Bereitstellungsraum. (Durch Kempins waffentechnische Kenntnis des artilleristischen Einschließens und seine richtige Reaktion darauf blieben der Kompanie erhebliche Verluste erspart!)

12. Mai 1940: Begegnung mit Keppler. Bei der Gelegenheit bekam ich den Auftrag, mit Ausschalten der holländischer Artillerie stoßtruppartig die letzte Bunkerlinie, bestehend aus gassicheren Panzerkuppeln, zu nehmen. Ich habe darauf hingewiesen, daß dieser Auftrag nur unter größten Verlusten für die Kompanie zu erfüllen wäre und gebeten, den Versuch zu machen, Sturzkampfflieger zur Unterstützung anzufordern, was dann auch gelang. Es meldete sich ein Fliegerverbindungsoffizier; Ziele und Ablauf des Stuka Einsatzes wurden festgelegt. Da die Maschinen für den morgendlichen Einsatz verplant waren, kam nur der Nachmittag in frage. Als das letzte Flugzeug die verabredete grüne Leuchtkugel abschoß, folgte unser Angriff. Es war für mich ein groß es Erfolgserlebnis, 3 Panzerkuppeln mit der Kompanie bei nur einem Oberarmdurchschuß, nämlich Ihrem, erstürmt zu haben. So etwas vergißt man nicht. - Keppler hat sich für diesen gelungenen Einsatz bedankt. Die Stukas haben zwar seiner Zeit die Bunker nicht direkt getroffen, aber sie haben ihnen etwa 1-2 LKW Boden vor die Schießscharten gepackt. Der Durchbruch durch die stark verteidigte holländischer Grebbe-Linie gehörte zu den bedeutesten damaligen Anfangserfolgen der SS Verfügungstruppe bzw. der Waffen SS. Der Regimentskommandeur der SS Standarte "Der Führer", der damalige SS Oberführer Georg Keppler, erhielt dafür das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes.

Bron: Der Freiwillige, 34. Jahrgang, Heft 6, Juni 1988

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